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Ein Fachartikel unseres Interim Managers

Restrukturierung
mit oder ohne Insolvenz?

Warum sollte man bei einer Restrukturierung immer alternativ auch eine geplante Insolvenz in Betracht ziehen?

Das mutet auf den ersten Blick selbstmörderisch an, ist es aber nicht. Ganz im Gegenteil kann es sogar erst den Weg zu einer umfassenden Sanierung des Unternehmens frei machen.

Was ist ein geplantes Insolvenzverfahren eigentlich?

Um Missverständnissen vorzubeugen. Hier wird kein Ratschlag gegeben, nicht antragspflichtige bzw. nicht antragsberechtigte Unternehmen in eine Insolvenz zu treiben. Es ist eher so, dass viele krisengebeutelte Unternehmer gar nicht wissen und nicht ahnen, dass sie sich längst in einer Antragspflicht befinden. Zudem ahnen sie oft nicht, welche Sanierungschancen durch das Insolvenzrecht ermöglicht werden. Diesen Unternehmern sei hier die Scheu vor einem geplanten Insolvenzverfahren genommen, denn das hat sich bei rechtzeitiger Einleitung in vielen Fällen als hervorragendes und durchgreifendes Sanierungsinstrument bewährt.

Als ein geplantes Insolvenzverfahren kann man in erster Linie ein Eigenverwaltungsverfahren und ein Schutzschirmverfahren bezeichnen. In seltenen Fällen gibt es auch ein wohl vorbereitetes Regelinsolvenzverfahren mit Pre-packaged-Plan. Hier soll der Fokus jedoch auf Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren liegen. „Geplant" deshalb, weil man nur gut vorbereitet in ein solches Verfahren gehen kann.

Warum sollte ich ein Insolvenzverfahren in Betracht ziehen?

Sanierungserleichterungen:

Die Wirkung von Sanierungserleichterungen mag an einem Beispiel illustriert werden: Ein alteingesessener Bäckerei-Filialist mit vielen langjährig Beschäftigten stellt fest, dass eine Vielzahl von Filialen defizitär ist und die Lage sich zusehends verschlechtert. Zur Belieferung der Filialen werden geleaste Transporter eingesetzt. Konzeptionelle Veränderungen haben bisher keinen durchschlagenden Erfolg gehabt, so dass die Verlustsituation der Filialen nicht gedreht werden konnte.
Außerhalb einer Insolvenz müsste man nun spätestens mit den Vermietern über eine Absenkung der Miete verhandeln und vielleicht einzelnen Mitarbeitern kündigen. Ob das ausreichend sein würde, ist allerdings fraglich. Im Extremfall würde man die verlustreichen Filialen schließen und allen Mitarbeitern dieser Filialen kündigen. Dann wären sicherlich auch im Overhead (Verwaltung, Logistik, Backstube) einige Mitarbeiter überzählig und müssten abgebaut werden. Bei geplanter Schließung wären Miet- und Leasingverträge bis zum Vertragsende weiter zu zahlen sowie Auslaufkündigungslöhne und Abfindungen für eine Vielzahl von Mitarbeitern fällig. Hierzu fehlen in aller Regel ausreichende Finanzmittel, da lange Betriebszugehörigkeiten des Personals sowohl die Auslaufkündigungsfristen verlängern als auch die Abfindungshöhen steigern.
In einem Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren gelten für Verträge nach Verfahrenseröffnung jedoch verkürzte Kündigungsfristen. Diese liegen bei Mitarbeitern bei max. 3 Monaten. Auch die Abfindungshöhe im Sozialplan ist insolvenzrechtlich auf maximal 2,5 Monatslöhne gedeckelt. Insgesamt sind also maximal 5,5 Monatslöhne zu berücksichtigen. Ohne Insolvenz belaufen sich Auslaufkündigungsfristen und Abfindungen bei langjährig Beschäftigten häufig in Summe auf rd. 11 Monate und mehr, also etwa doppelt so hoch.
Immobilien-Mietverträge können mit einer Frist von max. 3 Monaten gekündigt werden, unabhängig davon, wie lange der Vertrag noch gelaufen wäre. Nicht mehr benötigte Leasingverträge könnten nach Insolvenzeröffnung durch sogenannten Nichteintritt des insolventen Unternehmens in den Vertrag sofort beendet werden.
Hieraus wird sicherlich deutlich, welch mächtige Instrumente das Insolvenzrecht für eine Restrukturierung bietet, um Kapazitäten und Strukturen nachhaltig und konsequent anzupassen. Außerhalb einer Insolvenz wird häufig nur so weit restrukturiert, wie es finanzierbar ist. Und dieser faule Kompromiss ist häufig leider nicht von durchschlagendem Erfolg.




Insolvenzgeld:

Im Gegensatz zur außergerichtlichen Restrukturierung wird eine insolvenzgestützte Restrukturierung durch Insolvenzgeld unterstützt. Das bedeutet, dass die Agentur für Arbeit für 3 Monate die Zahlung der Löhne und Gehälter übernimmt. In dieser Zeit kann das Unternehmen ohne Zahlung von Löhnen und Gehältern Umsätze erwirtschaften. Bei personalintensiven Betrieben wird dadurch massiv Liquidität aufgebaut, die für die weitere Sanierung hilfreich ist. Ohne Insolvenz laufen alle Lohnzahlungen unvermindert weiter und man muss zu anderen geeigneten Restrukturierungsinstrumenten zur Anpassung der Lohnkosten greifen, wie z.B. freiwilliger Lohnverzicht, Kurzarbeit.

Altlasten/ Altverbindlichkeiten:

Unternehmen in der Krise schleppen häufig bereits einen Rucksack voller bilanzieller Altlasten wie hohe Pensions-Rückstellungen bzw. aufgestaute Lieferanten-Verbindlichkeiten mit sich. Diese müssen regelmäßig bedient werden, was zusammen mit einem aktuell verlustreichen Geschäftsmodell schnell in eine ernsthafte Liquiditätskrise münden kann. Außerhalb der Insolvenz helfen hier z.B. freiwillige Stundungsvereinbarungen mit einzelnen Großgläubigern, Kapitaleinschuss durch Gesellschafter oder Investoren, etc.
Durch eine Insolvenz werden bilanzielle Altlasten (Gewährleistungsrisiken, drohende Steuernachzahlungen, ungedeckte Pensions-Rückstellungen etc.) und Altverbindlichkeiten „abgeschnitten" und dürfen nach Antragstellung nicht mehr bedient werden. In der Folge fließt darüber auch keine Liquidität mehr ab.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Sanierung unter Insolvenzschutz gegeben sein?

Insolvenzantragsgrund:

Gesetzliche Insolvenzantragsgründe sind die Zahlungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung. Die größte praktische Bedeutung hat die Zahlungsunfähigkeit, die dann vorliegt, wenn das Unternehmen bei Fälligkeit weniger als 90% seiner Verbindlichkeiten bedienen kann. Bei einer Quote zwischen 90-100% Deckungsgrad spricht man von einer Zahlungsstockung.

Konzept:

Vor Beginn eines solchen Verfahrens müssen die wesentlichen Schritte der Sanierung bekannt sein und planerisch dokumentiert sein. Bei der Vorbereitung eines Eigenverwaltungsverfahrens ist hier mit der „Eigenverwaltungsplanung" ein geringerer Detaillierungsgrad nötig als bei der Vorbereitung eines Schutzschirmverfahrens, für das zumindest ein Grobkonzept benötigt wird, indem die Effekte einzelner Sanierungsmaßnahmen skizziert werden. Zudem erfordert das Schutzschirmverfahren die Bescheinigung eines unabhängigen Sachverständigen, dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist

Verfahrenswahl:

Für das Eigenverwaltungsverfahren sind alle drei o.g. Insolvenzantragsgründe geeignet. Für ein Schutzschirmverfahren sind nur die Gründe drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung akzeptiert. Dieses Verfahren bietet dem vorausschauenden Unternehmer einige Vorteile und belohnt daher eine frühzeitige Antragstellung.

Wie endet eine solche Sanierung unter Insolvenzschutz?

 

 

Insolvenzplan:

Im Regelfall wird das Verfahren über einen Insolvenzplan nach 6-9 Monaten beendet. In diesem Insolvenzplan wird den ungesicherten Altgläubigern eine Insolvenzplanquote angeboten, über die die Gläubigerversammlung in Gruppen abstimmt. In Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren liegen die Quoten im Regelfall signifikant über den Quoten eines Regelinsolvenzverfahrens.

Investoreneinstieg:

Sofern die weitere Unternehmensfortführung nur über einen Investor sichergestellt werden kann, so wird hiernach entsprechend gesucht (Distressed M&A-Prozess). Je nach Unternehmensgröße und Attraktivität der Branche kommen strategische Investoren oder Finanzinvestoren in Betracht. Bei kleinen Unternehmen (KMU) ist auch gelegentlich auch festzustellen, dass Mitarbeiter aus der 2. Ebene oder branchenerfahrene Nachfolger das Unternehmen, befreit von Altlasten, aus der Insolvenz herauskaufen.

Fazit:

Eine Sanierung unter Insolvenzschutz erlaubt die Nutzung erheblicher Sanierungserleichterungen in Form verkürzter Kündigungsfristen für Personal, Miete und Leasing als auch für ungünstige Beschaffungs- und Lieferverträge. Zudem wird die Sanierung durch Zahlung von Insolvenzgeld erheblich gestützt. Damit macht es sich zu einer ernstzunehmenden Sanierungsalternative für:

  • personalintensive Betriebe (Gebäudereinigungen, Industriedienstleister, Pflegedienste, Sozialverbände, Bäckereien, Frisörketten, etc.),
  • miet- oder leasingintensive Betriebe (z.B. Filialisten, Speditionen, Fuhrparkbetreiber, etc.),
  • Betriebe mit erheblichen Überkapazitäten (z.B. Werksverlagerung, Standortschließung, Wegfall Großkunde, etc.)
  • Betriebe mit bilanziellen Altlasten (z.B. unzureichend gedeckte Pensions-Rückstellungen, Steuer- oder Gewährleistungsrisiken, etc.)
  • Betrieb mit existenzgefährdenden Fehlkalkulationen (fehlerhafte kalkulierte Lieferverträge, zu teure Beschaffungsverträge, fehlendes Sicherungsgeschäft auf der Beschaffungsseite etc.)

Die Nichtzahlung von Altverbindlichkeiten sowie die Nutzung von Insolvenzgeld bewirken häufig eine so hohe Liquiditätszufuhr, dass die Sanierung aus dem Verfahren selbst finanziert werden kann, also sowohl die Kosten des Verfahrens als auch die Kosten der umzusetzenden Sanierungsmaßnahmen. Die Eignung eines Unternehmens für ein solches Verfahren kann jedoch nur von einem versierten Restrukturierungsberater beurteilt werden, der auch die möglichen Effekte und Kosten des Verfahrens einschätzen kann. Zudem sei angeraten, sich rechtzeitig unverbindlich beraten zu lassen, um Haftungsrisiken der Geschäftsführung zu reduzieren und ggf. eine gute Verfahrensvorbereitung noch zu ermöglichen.

Rüdiger Oymanns

Über den Autor

Rüdiger Oymanns beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren mit der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen. Er hat umfassende Erfahrung als Unternehmensberater in diesem Bereich gesammelt und agiert nun als Interim Manager und CRO in der Umsetzung.  
Seine Kernkompetenzen:

  • Consulting und Interim Management in Restrukturierungs- und Sanierungsprojekten
  • Einleitung und Begleitung von Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren als CRO
  • Erstellung von Sanierungskonzepten u. Fortbestehensprognosen nach IDW / BGH
  • Erarbeitung und Umsetzung leistungs- und finanzwirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen
  • Strategische Neuausrichtung von Unternehmen und Geschäftsmodell-ReDesign,
  • Erstellung von Finanzierungskonzepten und Bankenmoderation
  • Integrierte Unternehmensplanung und kurzfristige Liquiditätsplanung
  • Stakeholder-Management mit Banken (Finanzierungen), Investoren (M&A-Prozesse inkl. Due Diligence), Arbeitnehmervertretern (Mitarbeiterabbau, Sanierungs-Tarifvertrag, Interessenausgleich / Sozialplan), Gläubigerausschüsse, Insolvenzverwalter / Sachwalter