Ein Fachbeitrag unseres Interim Managers

Was sind Medizinprodukte? Und welche Klassen gibt es?

Erfahren Sie in unserem Fachartikel detaillierte Informationen von einem Experten mit Branchenerfahrung zum Thema Medizinprodukte!

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Kurze Einführung in die Medizintechnik

In der Medizintechnik sind starke Regulierungen und Sicherheit an der Tagesordnung. Die Medizintechnik entwickelt und fertigt Produkte, Geräte und Verfahren zur Prävention, Diagnose und Therapie. Medizinprodukte dienen dazu, Leben zu retten, Heilen zu helfen und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Es soll rund 400.000 Medizinprodukte geben. Die gesetzliche Grundlage ist das Medizinproduktegesetz (MPG).

In Summe gibt es in Deutschland zirka 12.560 Medizintechnik-Unternehmen, davon zirka 1.250 Medizintechnikhersteller mit mehr als 20 Beschäftigten. Trotz - oder gerade wegen - vieler Kleinunternehmen ist die Branche seit Jahren auf Platz 1 der Patentanmeldungen. Um dies zu erreichen, arbeiten Medizintechnikunternehmen oft mit Forschungseinrichtungen zusammen und Forschungsprojekte können finanziert werden. Denn neue, innovative Medizinprodukte versprechen den meisten Umsatz. Hier wird mehr als die Hälfte des Medizinprodukte-Umsatzes generiert.

Was sind Medizinprodukte?

Pflaster, Katheter, Stents, Implantate, Rollstühle, Orthesen oder Prothesen sind zum Beispiel Medizinprodukte nach dem Medizinproduktegesetz (MPG). Ab 2020 unterliegen Medizinprodukte der neuen EU-Medizinprodukteverordnung MDR (Medical Device Regulation). Mit dem Medizinproduktegesetz (MPG), ab 2020 (MDR), werden drei europäischen Richtlinien 90/385/EWG für aktive implantierbare Geräte, 93/42/EWG für sonstige Medizinprodukte sowie 98/79/EG für In-vitro-Diagnostik in nationales Recht umgesetzt.

Grund hierfür: Um Medizinprodukte in Verkehr zu bringen, brauchen sie eine CE-Kennzeichnung. Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung ist jedoch, dass das Medizinprodukt einem Risikomanagementverfahren, einer klinischen Bewertung sowie einer Risiko-Nutzen-Analyse unterzogen wurde. Wird bei einem Medizinprodukt wie etwa einem Implantat ein Fehler entdeckt, kann seine Herkunft über die gesamte Vertriebs- und Lieferkette hinweg eindeutig geklärt werden. Für Produktmängel haftbar gemacht wird der Inverkehrbringer.

Medizinprodukte-Klassifizierung – welche Klassen gibt es?

Medizinprodukte werden in drei Risikoklassen unterteilt. Hierbei ist die Medizinprodukte-Klasse I die niedrigste, Klasse III die höchste Risikoklasse.

In welche Klasse ein Medizinprodukt gehört, hängt juristisch gesehen von der „Verletzlichkeit des menschlichen Körpers" durch das Produkt ab. So ist ein Rollstuhl naturgemäß weitaus weniger risikobehaftet als ein Herzschrittmacher. Lediglich bei Klasse-l-Produkten sind Hersteller dazu befugt, das Konformitätsbewertungsverfahren eigenverantwortlich durchzuführen. Für alle anderen Produkte müssen Medizintechnikhersteller eine Benannte Stelle in Anspruch nehmen.

Mit Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung (MDR) wurde die Klasse I ergänzt: Wiederverwendbare Medizinprodukte fallen jetzt in die neue Klasse Ir. Ab Mai 2020 bedarf es auch bei Produkten der Klasse 1r der Mitarbeit von Benannten Stellen.

Medizinprodukte-Klassen:

  • Medizinprodukte Klasse 1 haben keine Risiken und werden in der Regel nur vorübergehend am Patienten angewendet. Beispiele sind unter anderem Hilfsmittel wie Rollstühle und (medizinische) Einlagen.
  • Medizinprodukte Klasse 1r sind wiederverwendbar, zum Beispiel wiederverwendbare chirurgische Instrumente.
  • Medizinprodukte Klasse 2a beinhalten ein gewisses Anwendungsrisiko und werden gegebenenfalls sogar kurzzeitig im Körper angewendet. Beispiele sind unter anderem Kontaktlinsen sowie Hörgeräte.
  • Medizinprodukte Klasse 2b verfügen über ein erhöhtes Risiko und werden über einen langen Zeitraum angewendet. Beispiele sind Beatmungsgeräte, Dialysegeräte, Dentalimplantate – sowie Kondome.
  • Medizinprodukte Klasse 3 gehören der höchsten Risikostufe und Gefahrenstufe an. Beispiele sind z.B. Herzschrittmacher, Stents oder Hüftimplantate.

Medizinprodukte und Medizingeräte sind oft mit Untersuchungs- und Behandlungsmethoden verbunden. Damit diese durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden, müssen diese eine Prüfung (Nutzenbewertung) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) durchlaufen. Das GKV-Versorgungstärkungsgesetz regelt dieses Verfahren bei Medizinprodukten hoher Klasse.

Was ist ein Medizinproduktebuch?

Ein Medizinproduktebuch kann als Prüfnachweis von Medizinprodukten herangezogen werden. Rechtliche Grundlage ist die Medizinproduktebertreiberverordnung.

Die 10 wichtigsten Medizintechnik-Normen:

Nach dem Skandal um minderwertige Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse sind benannte Stellen wie der damals zuständige TÜV Rheinland, aber auch Dekra und viele andere, in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Seit 2013 müssen sie deshalb unangekündigte Audits bei Medizintechnikherstellern durchführen, um die Produktsicherheit der auf dem Markt befindlichen Produkte zu erhöhen.

Ohne CE-Kennzeichnung gibt es keinen Vertrieb von Medizinprodukten. Medizintechnikunternehmen müssen sich darum bemühen, dass ihre Produkte in das Erstattungssystem der Krankenkassen aufgenommen werden.

Für viele, gerade kleine und mittlere Medizintechnikunternehmen, sind die umfangreichen Regularien und Dokumentationspflichten schwer zu durchschauen und auch durchzuführen.

Keine Regeln / Normen ohne Ausnahme:

Wenn der Druck groß ist, dann gibt es auch schnell andere Lösungen!
Empfehlungen des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): „Vereinfachte Prüfmöglichkeit für medizinische Gesichtsmasken für Anträge auf Sonderzulassung" (Quelle: bfarm)

Die zehn wichtigsten Normen in der Medizintechnik im Überblick

1. DIN EN ISO 13485 Medizinprodukte
2. ISO 9001 Qualitätsmanagement
3. DIN EN ISO 14155 Klinische Prüfung medizinischer Produkte
4. ISO 14971 Risikomanagement medizinischer Produkte
5. IEC 60601 Medizinische elektrische Geräte
6. IEC 62133 Aufladbare Akkumulatoren und Batterien
7. IEC 60086-4 Lithium-Batterien
8. DIN 58298 Fachgrundnorm für medizinische Instrumente
9. DIN EN ISO 22870 Patientennahe Untersuchungen (POCT)
10. DIN EN ISO 23640 In-vitro-Diagnostika

Über den Autor...

Uwe Beranek ist Interim Manager und zertifizierter SAP-Berater (Vertrieb und Materialwirtschaft). Seine Schwerpunkte liegen im Vertrieb und der Materialwirtschaft. Als Industriefachwirt und Speditionskaufmann verfügt er über sehr gute Branchenerfahrung in der Medizintechnik und für Medizinprodukte.