Mehr Effizienz mit professionellen Change-Prozess-Methoden
Veränderungsprozesse werden sehr unterschiedlich interpretiert, mit der Folge, dass nicht immer professionelle Change-Prozess-Methoden zum Einsatz kommen. Die häufigste Ursache der Fehleinschätzung: Die Veränderung wird nicht in ihrer vollen Auswirkung wahrgenommen.
Doch wie kann ein Unternehmen den Transformations-Prozess optimieren?
Die Definition von Change-Management
Diesem Artikel liegt die betriebswirtschaftliche Definition des Veränderungsmanagements zugrunde. Darunter versteht man die bewusste Veränderung einer Organisation inklusive ihrer Menschen und Systeme. Hierunter fallen alle Maßnahmen, die die Struktur, die Kultur, die Prozesse und die Arbeitsweisen einer Organisation verändern.
In Abgrenzung dazu steht die technische Definition. „Change-Management IT" ist ein in der IT Infrastructure Library definierter Prozess, der die Veränderungen in der IT-Infrastruktur steuert und kontrolliert.
Und hier entstehen die ersten Missverständnisse.
Falsche Interpretationen von Change-Prozessen
In der digitalen Transformation wird die Implementierung eines neuen Systems häufig als Prozess des „Change-Managements IT" eingestuft. Dadurch werden jedoch wichtige soziale und organisatorische Aspekte der Transformation nicht berücksichtigt.
Auch das einseitige Vorbrechen von Abteilungen führt häufig zum Scheitern. Die Fehleinschätzung liegt in der Annahme, „dass die anderen schon mitziehen müssen." Häufig führt das Gefühl von den anderen Abteilungen ausgebremst zu werden zu solchen Verhalten, die einer Kampfansage gleichkommen. Die Reaktion auf der Gegenseite: Verweigerung in der Unterstützung und Anerkennung des neuen Systems (auch wenn es notwendig und richtig ist). Wer möchte sich schon gerne etwas aufdrücken oder in die Ecke treiben lassen?
Hier zwei Beispiele von misslungenen digitalen Transformationen:
- Ein vollständig technisch eingerichtetes PIM-System wurde über ein Jahr nicht aktiviert, weil sich keiner zuständig für die Inhalte fühlte. Alle Bereiche (z.B. Produktmanagement, Marketing, Vertrieb, E-Commerce) arbeiteten weiterhin am PIM-System vorbei.
- Ein Marketingleiter hatte ein CRM einrichten lassen. Doch er kündigte bereits während des Projekts. Die Einbindung anderer Bereiche in das Projekt und eine Übergabe an den Nachfolger hatte nicht stattgefunden. Die Folge: Über zwei Jahre wurde die mächtige Datenbank nur für einen Newsletter der Marketingabteilung genutzt.
Diese Beispiele zeigen, wie teuer eine digitale Transformation wird, wenn Systeme implementiert aber nicht in die Organisation integriert werden.
Die Integration eines Systems in die Organisation bedeutet, dass man sich bereits vor der Implementierung eines Systems darüber Gedanken macht, wie das System voll umfänglich im Unternehmen genutzt werden kann. Nur wenn alle potenzielle Nutzer einbezogen werden steigt die Rendite des Systems und die Effizienz mehrerer Prozesse.
Die Methoden des modernen Change-Managements
Unabhängig vom angewandten Change-Modell (z.B. Krüger, Kotter, Lewin), kann ein Wandel grob in vier Phasen eingeteilt werden:
- Analyse des Problems
- Die Planung der Vorgehensweise und die Mobilisierung
- Die Umsetzung
- Und die Kontrolle der nachhaltigen Umsetzung und ggf. der Nachkorrektur
Die Analyse des Problems im Change-Prozess
Die Analyse des Problems hat zum Ziel den Veränderungsgrund und das gewünschte Ergebnis zu beschreiben. Hiervon wird abgeleitet, welche Prozesse, Systeme und Mitarbeiter wie stark betroffen sind und wie Nachteile für betroffene Teams ausgeglichen werden können. Wenn z.B. eine Abteilung eine zusätzliche Aufgabe zugeteilt bekommt, muss über eine Kompensation der Kapazitäten nachgedacht werden: z.B. Automatisierung anderer Prozesse, mehr Manpower, Verlagerung von Aufgaben auf andere Teams.
Die Analyse beinhaltet zudem das Verhalten der Menschen. Wer wird die Veränderung annehmen, wer wird sie ablehnen. Welche Gründe stecken dahinter? Wird verstanden, dass die Veränderung (Wettbewerbs-)Vorteile für das Unternehmen bringt? Ziel ist es festzustellen, mit welchen Widerständen (z.B. Art, Intensität) zu rechnen ist.
Die Analyse-Ergebnisse sind relevant dafür, welche Change-Prozess-Methoden eingesetzt werden.
Die Planung der Vorgehensweise und deren Umsetzung im Change-Prozess
In den Phasen zur Planung der Vorgehensweise und der Umsetzung geht es im wesentlichem um folgende Schwerpunktthemen:
Wie wird das Change-Team mobilisiert?
Wer gehört zum Change-Team? Welche Arbeitsumgebung braucht das Team, und in welchen Themen sollte das Team geschult werden (z.B. das Abhalten von Workshops, die Nutzung von Tools wie Mindmapping) ? Nur wenn ein Change-Team professionell auftritt, wird es auch akzeptiert.
Wie können die betroffenen Mitarbeiter für die Transformation gewonnen werden?
In den meisten Fällen werden verschiedene Methoden und Instrumente eingeplant, wie z.B.
- Kommunikationskonzept (zur regelmäßigen Information über den Verlauf des Change-Prozess; Newsletter, Veranstaltungen etc.)
- Workshops, wie z.B. die Zukunftswerkstatt oder das Design Thinking, mit dem Ziel, Visionen und Lösungen zu erarbeiten.
- Einzelgespräche, um die Hintergründe einer starken Abwehrhaltung zu verstehen
- Coaching von Führungskräften, um diese auf eine neue Teamstruktur vorzubereiten
Wie verändert sich die Organisation?
Bereits in der Analyse wurde festgestellt, dass sich Prozesse verändern oder neue dazu kommen. Daher müssen die Zuständigkeiten und Prozesse neu definiert und mit allen Beteiligten abgestimmt werden. Change-Methoden sind z.B. Workshops, Prozess-Modelling und Schulung der Mitarbeiter, damit sie ihre neuen Aufgaben erfüllen können.
Wie soll der Ablauf der Transformation gestaltet werden?
Es ist immer zu empfehlen, einen Transformationsfahrplan zu erstellen: Welche Funktionen im System sollen wann, wem und in welchen Umfang zur Verfügung gestellt werden? Der Transformationsfahrplan hilft, eine komplexe Veränderung auf mehrere überschaubare Schritte herunterzubrechen. So können die Schritte einzeln und chronologisch unter Berücksichtigung der Erfahrung aus dem vorangegangenen Schritt geplant werden. Das reduziert Fehler und ermöglicht die schrittweise Inbetriebnahme eines Systems. Das System kann so ersten Nutzen erzeugen, während die Implementierung und Integration in die Organisation weiterlaufen.
Nach jeder Umsetzungsphase ist die nachträgliche Kontrolle der Phase über eine bestimmte Zeit hinweg einzuplanen.
Das Controlling zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Change-Prozess
Nach Abschluss einer Phase ist es wichtig, dass die neuen Prozesse und Arbeitsabläufe kontrolliert werden. Dadurch wird verhindert, dass die Mitarbeiter in alte Muster zurückfallen und es kann nachkorrigiert werden. Beliebte Methoden hierfür sind Feedbackgespräche, Kaizen und Kommunikationsschulungen.
Diese kurze beispielhafte Darstellung eines Veränderungs-Managements kann nur grob den Change-Prozess beschreiben und die möglichen Change-Methoden andeuten. Jeder Veränderungsprozess muss individuell gestaltet werden. Trotzdem zeigt die Darstellung, warum professionelles Change-Management zu mehr Effizienz in der Transformation führt.
Effizienz durch die Anwendung der Methoden des Change-Managements
Im folgendem werden die wichtigsten Faktoren, die zu mehr Effizienz im Veränderungsprozess zusammengefasst.
- Umfassendes Verständnis der Auswirkungen einer Veränderung auf die Organisation, Kultur, Prozesse, Menschen etc.: Dadurch können Risiken rechtzeitig erkannt und vorbeugende Maßnahmen getroffen werden.
- Kommunikation und die Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter: Wenn rechtzeitig Abwehrhaltungen identifiziert und beseitigt werden, steigt die Motivation rund um den Change-Prozess. Die aktive Unterstützung nimmt zu (Beschleunigung) und Fehler werden frühzeitig aufgedeckt.
- Parallelität: Die Motivation der Mitarbeiter kann parallel zur technischen Analyse erfolgen. Und über den Transformationsfahrplan werden weitere Möglichkeiten der Überschneidungen in der Umsetzung offengelegt.
- Kontrolle: Sie ist das Feintuning und das Reflektieren. So werden die Prozesse geschmeidig, die Mitarbeiter können sich einbringen und die neuen Arbeitsweisen gehen in die Normalität über.
Die Vorteile des Change-Managements rechtfertigen den damit verbundenen Aufwand. In der Umsetzung wird der Change-Manager meistens direkt an der Geschäftsführung angehängt, da er oft über mehrere Bereiche agieren muss. Zusätzlich zum Change-Manager sind in der digitalen Transformation Projektmanager erforderlich, die die technische Umsetzung eines Systems leiten. Der Change-Manager und die Projektleiter müssen gemeinsam den Change-Prozess begleiten.
Bettina Vier ist Interim Managerin für Digitalisierung, Change-Management und E-Commerce. Als Projektleiterin und Beraterin unterstützt sie bei der Entwicklung von Digital- und E-Commerce-Strategien und deren Umsetzung, im Aufbau und Umstrukturierung von E-Commerce-Bereichen sowie in Changeprozessen im Umfeld der digitalen Transformation. Zudem ist Sie Co-Autorin des Buches "Digital Insights, Digitalisierung: 7 Sichtweisen aus der Praxis" und Mitglied der DDIM-Fachgruppe "Digitalisierung & Industrie 4.0".