5 Tage - 5 Thesen:
Die Energiewende
in Deutschland

Wir bitten Experten, zu Ihrem Kernthema 5 zukunftsweisende Thesen zu verfassen, die wir Ihnen dann hier in unserem Blog vorstellen.

Heute starten wir mit 5 Thesen zum Thema Engergiewende in Deutschland:

Befragt haben wir hierzu Aiko Bernehed, den ich am 9. Mai 2016 auf der 10. Private Equity-Konferenz NRW kennengelernt habe. Dort habe ich mich von ihm über solarthermische Anlagen aufklären lassen. Er ist Physiker und Informatiker und hat während seines Studiums eine solarthermische Anlage entwickelt. Zur Zeit befindet er sich in der Gründung seines Unternehmens Hyperion Energy. Die Firma wird eigene Solarkraftwerke planen und bauen, die rund um die Uhr und während des gesamten Jahres grünen Strom zu wirtschaftlichen Preisen liefern.

Ohne Frage steht die Energiewirtschaft – und mit ihr die Gesellschaft – in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Noch kann keiner die Auswirkungen der Energiewende überblicken. Die „Big Four" der Energiebranche – RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW – plagen sich mit neuen Zielmodellen für das klassische Geschäftsmodell – unter den kritischen Augen der Öffentlichkeit und den Vorgaben der Politik.

Aiko Bernehed hat sich intensiv mit der alternativen Energiewirtschaft beschäftigt und ist ganz nah dran an diesen Themen. Wir wollten von ihm wissen, wie er die Zukunft sieht. Hier sind seine 5 Kernthesen:

These 1

Die Energiewende wurde durch übereilte Handlungen falsch angegangen

Nach der verheerenden Reaktorkatastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011 hat die deutsche Öffentlichkeit und damit auch die Politik ziemlich schnell den Ausstieg aus der Atomkraft und den Umstieg auf erneuerbare Energien verlangt. So edel dieser Plan erscheinen mag, so waren die zugrundeliegenden Ansätze der damaligen Novelle der Energiewende doch unglücklich übereilt.

Man ging ursprünglich davon aus, dass Sonne- und Windkraft die Energieproduktion übernehmen könnten und nur sporadisch CO2-arme Gaskraftwerke einspringen müssten, sodass zuerst Kern- und anschließend schmutzige Kohlekraftwerke abgeschaltet werden könnten. Dummerweise können Kohlekraftwerke aber, unter anderem wegen viel zu preiswerter CO2-Zertifikate, Strom viel günstiger produzieren als Gaskraftwerke. Mit dem Rückbau der Atomkraft haben wir deswegen heute sogar einen leicht höheren Kohlekonsum in Deutschland als noch 2011, als die Novelle beschlossen wurde. Es wird vermutlich noch lange dauern, bis die ersten Kohlekraftwerke aufgrund des Ausbaus erneuerbarer Energien geschlossen werden müssen.

These 2

Ein erfolgreicher Wandel der Energieversorgung funktioniert nur in Abstimmung mit der EU und den nationalen Parlamenten sowie einer Internationalisierung des Strommarktes.

Durch den hohen Export von Ökostrom in andere EU-Staaten zerstören wir, ähnlich wie oben für Deutschland geschildert, auch die Gaskraftwerke in den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien und Italien. Wie am 17.05.2016 herauskam, möchte die EU-Komission sich entgegen deutscher und österreichischer Interessen wieder viel mehr auf Kernkraftanlagen stützen als dies bisher der Fall ist. Spanien hat im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2009 nicht nur die Menge an verkaufbarem Solarstrom pro Solarpark gedeckelt, sondern im Nachhinein auch sämtliche Einspeiseförderung für erneuerbare Energien gekappt. Dies hatte zur Folge, dass der Ausbau erneuerbarer Energien in Spanien zunächst gestorben ist und mehrere hundert Betreiberfirmen von der Insolvenz bedroht waren.

Diese Beispiele zeigen, wie uneinig sich die verschiedenen Staaten in der Lösung der Energieproblematik sind und welch gefährliche Schritte teilweise unternommen werden. Schätzungen besagen, dass die Menge an Strom aus fossilen Kraftwerken zwischen 2007 und 2020 um lediglich 11 % sinken wird. Dies ist zwar eine löbliche Entwicklung, aber unter den derzeitigen Gegebenheiten leider viel zu wenig. Einzig ein gesamteuropäischer Ansatz mit zentraler Planung und Förderung über Landesgrenzen hinweg, dem gezielten Ausbau von Wind-, Wasser- und Solarstrom in den geeigneten Ländern und einem entsprechenden Ausbau von Speicherkraftwerken und Übertragungsnetzen könnte die anstehenden Probleme des globalen Klimawandels aufhalten.

These 3

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die damit verbundene Einspeisevergütung führt zu einer starken Ungleichbehandlung der Stromkunden.

Die Einspeisevergütung und damit die EEG-Umlage funktioniert nach dem sogenannten Verursacherprinzip: Wer Strom aus dem Netz kaufen muss, zahlt die EEG-Umlage, die Kleinanlagenbetreiber, also beispielsweise Eigenheimbesitzer mit einer Solaranlage, in Form der Einspeisevergütung wieder zurückerhalten. Durch diese Umlage und den hohen Strompreis liegen die Amortisationszeiten für Neuanlagen heute je nach System und Lage zwischen 7 und 15 Jahren.

Das Problematische an der Sache ist, dass in Zukunft mehr und mehr Stromerzeuger auftreten werden und weniger Kunden die Kosten der Altlasten werden tragen müssen. Dies hat zur Folge, dass die Strompreise nach konservativen Schätzungen auf 28 ct/kWh steigen würden. Einzelne Untersuchungen gehen sogar von bis zu 33 ct/kWh aus. Die Schwankungsbreite entsteht durch unterschiedliche Zukunftsszenarien. Durch Aufbau einer eigenen Photovoltaikanlage lassen sich diese Kosten umgehen, doch kommt diese Möglichkeit fast nur für gut gestellte Eigenheim- und Landbesitzern in Frage. Vor allem in den zentralen Ballungsgebieten wohnt ein Großteil der Bevölkerung mit niedrigem bis mittlerem Einkommen in Mietwohnungen, deren Bewohner nicht die Möglichkeit haben eigene Flächen mit Stromerzeugungsanlagen zu bebauen, sodass hier durch das EEG indirekt eine gravierende Ungleichbehandlung von Statusgruppen auftritt. Natürlich ist die Energiewende ein langfristig angelegtes Projekt, aber dennoch kann dieser Wandel nicht ausschließlich auf Kosten der städtischen Bevölkerung umgesetzt werden.

These 4

Batteriespeicher werden noch für die kommenden Jahrzehnte zu teuer sein, um einen flächendeckenden Einbau in die Stromversorgung zu rechtfertigen

Fälschlicherweise wird auf die Speicherleistung und den Preisverfall von Batterien immer das Moore'sche Gesetz angewendet. Es stammt ursprünglich aus der Computerwissenschaft und besagt, dass ungefähr alle eineinhalb Jahre die Prozessorleistung von Computern verdoppelt wird. So wird auch häufig davon ausgegangen, dass Batteriespeicher einen ähnlichen gestalteten Preisverfall erfahren und die Herstellungskosten innerhalb der kommenden Jahre weit unter den derzeitigen Niveaus liegen werden.

Es zeigt sich allerdings, dass vielmehr ein linearer Preisverfall vorliegt, sodass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis wir Strom aus Windkraft und Photovoltaik kostengünstig speichern können. Der derzeitige Hoffnungsträger der Gesellschaft, Teslas Powerwall, liegt laut eigener Aussage bei Investitionskosten von ungefähr 468 $/kWh und soll erst Ende 2016 ausgeliefert werden. Solarthermische Anlagen in Spanien und den Vereinigten Staaten verwenden hingegen thermische Speichersysteme, die weniger als 28 $/kWh kosten und hier sind noch gewaltige Kostenreduktionen zu erwarten. Die Speicherung von elektrischer Energie ist im Vergleich zu anderen Energieformen unglaublich kompliziert und aufwändig, sodass ein großtechnischer Einsatz noch sehr teuer ist.

These 5

Der Versuch, mit der Energiewende die Marktmacht der großen Energieversorger zu brechen, hat wahrscheinlich die größten Verzögerungen hervorgerufen

Aus nicht nachvollziehbaren Gründen hat sich die Energiewende zu einer Liberalisierung und Dezentralisierung des Energiemarktes entwickelt, was ja eigentlich ein wirtschaftlich-politisches und kein umweltschonendes Ziel ist. Allerdings bedeutet dies, dass unsere Energieversorgung nun von mehreren tausend Eigenanlagenbetreibern und kommunalen Genossenschaften getragen wird. Das Problem dabei ist die gezielte Koordinierung der beteiligten Parteien und die Sicherung der Stromversorgung. Außerdem führt die Dezentralisierung der Energieversorgung zu einem gewaltigen Umbau der Energienetze, die auf die zentrale Erzeugung in Großkraftwerken und den dezentralen Konsum von Elektrizität ausgelegt sind. Wenn allerdings schon der Ausbau von 3.000 km Nord-Süd-Trassen scheitert, wie soll dann das komplette deutsche Stromnetz umgebaut werden?

Zusätzlich hat sich die deutsche Gesellschaft mit einem forcierten Marktwandel entgegen den Interessen der großen Stromkonzerne (E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW) in eine sehr angreifbare Lage gebracht. Dies zeigen die zahlreichen Klagen gegen Bund und Länder, welche teilweise Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe mit sich bringen.

Eine Zusammenarbeit mit den großen Versorgungsunternehmen hätte hier vermutlich zu einem viel besseren und schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien geführt. Beispielsweise ist das EEG auf eine maximale Anlagengröße von 5 MW beschränkt, sodass nur Kleinerzeuger und Eigenheimbesitzer von den Regelungen der Einspeisevergütung profitieren können. Man hätte übergangsweise die unterstützende Biomasseverbrennung in großen Kohlekraftwerken fördern können, was in Großkraftwerken in den USA zur Reduktion der CO2-Emissionen geführt hat. Der Betrieb von Gaskraftwerken mit Biogas wird auch nur bis zu einer sehr geringen Anlagengröße gefördert. Dies alles hat zur Folge, dass die großen Stromkonzerne sich aus ihrer wirtschaftlichen Lage heraus genötigt sehen, gegen die Energiewende vorzugehen. Doch sollte genau dies nicht das Ziel des EEG sein, sondern vielmehr sollte man versuchen, gerade die großen und erfahrenen Marktteilnehmer mit ins Boot zu holen. Nur wenn die Gesellschaft gemeinschaftlich an der Energiewende mitwirkt, kann diese auch gelingen.

 

Morgen lesen Sie hier die zweite These von Aiko Bernehed.

Sollten Sie auch in der Energiebranche tätig sein und zur Unterstützung einen Interim Manager aus der Energiebranche suchen, dann treten Sie doch hier mit uns in Kontakt.

 

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